Wieso braucht das Sommerblut Kulturfestival einen Chatbot? Sommerblut im digitalen Raum

Drei Festivalausgaben sind nun schon unter Pandiemiebedingungen durchgeführt worden und haben für den Kulturbereich ungekannte Möglichkeiten ans Licht gebracht: 
Bereits im Mai 2020, nur wenige Wochen nach dem ersten Lock-Down, der mitten in die Produktionsphase vieler Sommerblut-Projekte einschlug, konnte das Festival trotzdem stattfinden: Auf der heimischen Couch aber verbunden durch das Internet. Mit Zoom und ähnlicher Software waren plötzlich Tools in aller Munde, die wenige Wochen zuvor noch kaum jemand kannte. 
2021 realisierte das Sommerblut sogar eine virtuelle Onlinewelt, in der das Festival stattfand: Mit Avataren konnten sich Menschen durch ein unterirdisches Köln bewegen und verschiedene Bühnen und Ausstellungen besuchen. Dort trafen sie auch auf die anderen Besucher:innen und konnten sich mit diesen live via Sprache und Video unterhalten. 
Möglich wurde dies durch “gather.town”, eine weitere Software, die in der Pandemie einen enormen Entwicklungsschub erlebte. 

Auch wenn für 2022 absehbar war, dass traditionelle Aufführungsformate endlich wieder stattfinden konnten, entschied sich das Sommerblut im Herbst 2021, auch im kommenden Jahr ein digitales Projekt zu machen, denn der digitale Raum ist als Teil unserer Realität längst nicht mehr wegzudenken. 
 

Digitale Barrierefreiheit?


Die Online-Umsetzungen der vorherigen Jahre haben aber auch eines gezeigt: Für das sehr diverse Publikum, welches das Sommerblut Kulturfestival erreichen will, ist die Zugänglichkeit zum digitalen Raum sehr unterschiedlich. Vor allem Technologien, die sehr neu sind, können meistens nur von wenigen Menschen genutzt werden. Einerseits, weil das Wissen, wie eine Software funktioniert erst von Nutzer:in zu Nutzer:in weitergereicht werden muss. Andererseits weil bei der Software-Entwicklung häufig Menschen, die besondere Bedürfnisse haben, zunächst nicht mitgedacht werden: So hat unsere Erfahrung mit gather.town gezeigt, dass selbst technisch einfache Funktionen, die zum Beispiel gehörlosen Menschen helfen würden, zunächst nicht verfügbar waren. 
Für Menschen mit wenig Vorerfahrungen am Computer oder für Menschen mit Behinderungen war die virtuelle Welt vom Sommerblut 2021 in vielen Fällen eine Enttäuschung. Mit individuellen Lösungen versuchte das Team vom Sommerblut diese Menschen trotzdem an den Events teilhaben zu lassen: Avatare von blinden Menschen wurden ferngesteuert von Leuten aus dem Team durch die Welt bewegt, und so weiter… Deutlich wurde jedoch: So ist keine gleichwertige Teilhabe gegeben. 

Für das neue Projekt ergaben sich darum zentrale Fragen: Wie können neue Technologien von Anfang an inklusiver sein? Was bedeutet dies für die Entwicklungsarbeit eines digitalen Projektes? Was bedeutet eigentlich digitale Barrierefreiheit in der praktischen Umsetzung? 

Das Sommerblut bekommt eine künstliche Intelligenz

Diese Fragen waren auch der inhaltliche Startpunkt für das neue Projekt. Nun musste noch eine neue Technologie her: Wir entschieden uns für einen Chatbot: Immer öfter tauchen sie auf Internetseiten auf und versuchen, mehr schlecht als recht Fragen zu beantworten, die die Nutzer:innen meist eigentlich lieber von einem echten Menschen beantwortet haben möchten. Chatbots dienen also in erster Linie nicht den Nutzer:innen, sondern den Unternehmen, die sie einsetzen, um menschliche Ressourcen einzusparen. Im Hintergrund von den meist noch plumpen Chatbots wird jedoch häufig eine Technologie verwendet, die das Potential hat, die nächste große gesellschaftliche Veränderung seit der Verbreitung des Internets auszulösen: Künstliche Intelligenz auf der Basis von Massendatenverarbeitung. Auch auf dieses Thema werden wir in diesem Logbuch noch genauer eingehen. Eine Frage, die uns dabei besonders interessiert: Was bedeutet die Verbreitung von Künstliche Intelligenz Technologien für Menschen mit Behinderungen? 

Die Reise beginnt

Ein Chatbot mit Mehrwert für die Nutzer:innen, der nutzbar von allen ist und eine eigene Geschichte erzählen kann. Mit diesen Eckdaten ging es dann los. Ob das Sommerblut wirklich einen Chatbot braucht? Vermutlich nicht. Der Chatbot ist für uns ein Vehikel, ein Forschungsobjekt. 
Eine große Aufgabe hat der Bot schließlich doch übertragen bekommen: Er sollte eine fundierte Beratung liefern, welche Sommerblut-Aufführung eine Besucher:in sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Insgeheim wussten wir natürlich, der Bot kann dabei nicht viel falsch machen, denn niemand sollte überhaupt irgendeine Sommerblut Produktion verpassen…

Mit freundlicher Unterstützung von:

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